WG34 – Briefentwurf an Alma Mahler
Toblach, in der Nacht von Donnerstag, 4. auf Freitag, 5. August 1910
Ich weiß ja nicht was Du
nun tun wirst, ob Du edle
Seele Deinem armen Gatten
zuliebe schon alle Liebe
zu mir gewaltsam aus Deinem
Herzen gedrängt hast
Es war nur ein Vorbei-
huschen, aber meine dürstenden
Augen haben Dich mit grenzen-
loser Liebe umklammert
Entsagen nicht in Eure Ehe
drängen
Wie grenzenlos schön ist es hier
gegen meine graue unwirsche
Ebene
seit 3 Tagen habe ich kaum
gegessen u getrunken
Ich hatte für alles
vorgesorgt u zu Hause
alles geordnet
schwöre nicht ohne
mich fort Gift vernichten
[um 180° gedreht:] Babelsberg
meine Briefe nicht ge-
lesen, vielleicht aus Ab-
sicht um m\D/eine Liebe \zu mir/ zu
bekämpfen, ich würde das
alles verstehen
Ich habe Dir nur den 10ten
Teil meiner Leiden gesagt
verworren u
heute atme ich noch dieselbe
Luft mit Dir
beide starke Naturen
laß uns aushalten
Mein Glück ist Dein Brief
vom Sonntag vor acht Tagen
mein J.
ach die Tränen
und abgebrochenen Schmerzens-
laute, die dieser Weg
geseh [!]
Gottlob
keine
Hunde
nur Katze
Apparat
Überlieferung
, , , , , , , .
Quellenbeschreibung
4 Bl. (5 b. S.) – Viertel eines Papierbogens, kariert.
Druck
Erstveröffentlichung.
Korrespondenzstellen
keine.
Datierung
Der Briefentwurf WG34 muss, wie die beiden vorherigen, ebenfalls während des Toblacher Aufenthalts im August 1910 entstanden sein. WG scheint dabei in dem hier vorliegenden Entwurf seine ersten Eindrücke der Toblacher Erlebnisse zu reflektieren, jedoch AM noch nicht getroffen zu haben. Das Vorbeihuschen, von dem er hier schrieb, waren wohl die Silhouetten AMs und , die WG durchs Fenster gesehen hatte (s. WG32 vom 4. August 1910), was auf eine Datierung kurz nach WG32 und damit auf den Abend des 4. August oder eher die Nacht vom 4. auf den 5. August schließen lässt.
Themenkommentar
Übertragung/Mitarbeit
(Jannik Franz)
Gift vernichten – möglicherweise Hinweis auf einen geplanten Suizid oder als Imperativ an , vgl. die von unleserlich gemachten Worte in AM10 vom 31. Juli 1910: ich wollte Gift nehmen.
Dein Brief – AM7 vom 24. Juli 1910.
mein J. – nicht entschlüsselbare Abkürzung.
keine Hunde – Dieser Passus bezieht sich möglicherweise auf den Wachhund des Trenkerhofs. Gegenüber schilderte den Ablauf der Ereignisse in Toblach und berichtete dabei, dass er sofort nach seiner Ankunft in Toblach zum Trenkerhof eilte, jedoch habe ein Wachhund ihn davon abgehalten, näher an den Bauernhof zu gelangen (, S. 871). Einen Hund gab es dabei nachweislich auf dem Trenkerhof, wie aus einem Brief an vom 15. Juni 1909, geschrieben in Toblach, hervorgeht: „Der Hund läßt mich auch wieder fühlen, daß ich ein ‚Mensch unter Menschen bin‘ und bellt täglich von Anbruch der Dämmerung bis in die süßen Träume der Bauernjageln hinein“ ( Nr. 269, S. 381). Hier beschrieb den zweiten Anlauf seines Versuchs. Siehe auch den Themenkommentar: Die Umstände des Krisentreffens.